Bäuerin nicht verstand. Auch machten sie die Mutter auf mancher-
lei aufmerksam, das sie die Kleinen lehren konnte. „Niemals",
so ermahnten sie, „sollen die Kinder einen Hollunder oder einen
Fliederbaum beschädigen. Ein Messer muß nie so auf dem Tisch
liegen, daß die Schneide nach oben zeigt. Aus der Waldquelle
sollen sie gebückt trinken. Nach dem bunten Bogen, der bisweilen
am Himmel zu sehen ist, darf kein Kind mit dem Finger zeigen '
und ihn nicht Regenbogen, sondern Himmelsring nennen. Wenn
es donnert, soll keins sagen „der Herrgott zürnet", sondern „der
Herr waltet". Doch als das siebente Kind geboren wurde,
blieben die Jungfrauen aus. Es war ein hätzlicher, ungestalteter
Knabe. Alle nannten ihn „das Unglückskind".
Die Landwirtschaft gedieh auf dem Oberbüscherhofs in
wunderbarer Weise. Jede Arbeit, die man am Tage begonnen,
wurde, während alles schlief, vollendet. Hatte der Bauer am
Tage angefangen, das Korn zu schneiden, so sah man am andern
Morgen das ganze Getreide in Reihen abgemäht liegen. Bei
der Kartoffelernte brauchte der Bauer nur die erste Furche aus-
Zunehmen, so standen tags darauf die Kartoffeln des ganzen
Ackers in zahlreichen Säcken da. Jedes Körnlein, das der Bauer
säte, ging auf und trug vielfältige Frucht. Das Korn auf dem
Speicher nahm nicht ab, die Vorräte im Keller wurden niemals
alle, wie viel auch die Bauersleute verkauften oder verschenkten.
Die größte Freude erlebten sie an ihren Kindern. Diese
gediehen prächtig und wuchsen zu tüchtigen Jünglingen und
schöne Jungfrauen heran. Die Söhne wurden zu Edelleuten
erhoben, und die Töchter heirateten adelige Männer und wohnten
in prächtigen Schlössern. Nur die jüngste, die in ihrem Spieg-
lein alles sehen konnte, was die Menschen dachten, nahm keinen
Mann. Sie wurde Äbtissin in einem Kloster.
Die Bäuerin, die wohl wußte, woher all der Segen kam, er-
wies den unsichtbaren Helfern viel Gutes. Sie besaß eine Menge
Töpflein und Näpflein. Die füllte sie mit den besten Speisen
und stellte sie am Abend und am Morgen in der Scheune, auf
dem Speicher und auf dem Felde auf. Sie legte kleine Messer,
Gabeln und Lössel neben die Schüsselchen. So oft sie die Näps-
lein leer fand, wusch sie dieselben aufs sorgfältigste und füllte
sie aufs neue mit köstlichem Obst, mit Milch oder Honig.
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sagte der Schwarze und berührte den Kleinen mit seinem Stabe.
Da fühlte unser Männlein einen so heftigen Schmerz in allen
Gliedern, als wenn sie ihm auseinander gerenkt werden sollten.
Vor Schrecken wäre er beinahe auf die Erde gefallen. In großer
Angst lief er davon, so schnell ihn seine Beine nur trugen, und
kam wieder nach Remscheid in sein Haus.
Aber was war denn das? Als er durch die Haustüre gehen
wollte, stieß er mit dem Kopf gegen den oberen Balken. An
seiner Stubentür ging es ihm nicht besser, und als er in sein
Schlafkämmerlein eintrat, wupp? da hatte er wieder eine arge
Beule weg. Ganz dumm und wirbelig war es ihm im Kopse
von allen Stößen, als er sich ins Bett legte. Da wollte er sich
so recht behaglich ausruhen von allen Mühseligkeiten, aber er
hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Oben stieß er mit
dem Kopf gegen das Bett, und streckte er die Beine aus, so stieß
er gegen das untere Bettende. Er mochte sich drehen und wenden,
wie er wollte, überall bekam er blaue Flecke. Zuletzt lag er im
Bett zusammengeklappt wie ein Taschenmesser und verbrachte die
Nacht in unruhigen Träumen.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Da sing sein Elend von
neuem an. Überall stieß er sich Beulen. Er wollte wieder ein-
mal zur Küche und suchte seinen Sonntagsanzug hervor. Aber
o Schreck! Der war ihm viel zu eng und zu klein, und ganz
traurig und mutlos hängte er die Sachen wieder in den Schrank,
nicht ohne sich noch ein paarmal zu stoßen. Zuletzt besann er sich
auf den Anzug, den er gestern abend getragen hatte, und rasch
zog er ihn wieder an. Glücklicherweise paßten d i e Kleider,
denn die waren ja mit ihm gewachsen. Ganz behutsam und vor-
sichtig ging er durch die verschiedenen Türen und gelangte endlich
auf die Straße. In der freien Luft konnte er sich nun fo recht
nach Herzenslust dehnen und recken; denn da waren keine Decken
und Balken, an denen man sich stieß. Aber sein Vergnügen
währte nicht lange. „Ein Riese! Ein Riese!" tönte es von allen
Seiten. Und als er sich nach dem Riesen umgucken wollte, da
merkte er, daß die Leute mit den Fingern auf ihn zeigten. So
schnell ihn seine Füße trugen, ging er in die Kirche. Da konnte
er wohl schön aufrecht stehen, aber er merkte bald, daß alle Leute
ihn anstaunten. Sobald es nur anging, schob er sich deshalb
aus der Türe und eilte nach Hause. Dort vergaß er aber seine
Größe meistens, wenn er aus einer Stube in die andere ging.
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und wollte sie gerne zur Gemahlin haben. Eines Tages machte
er sich daher auf nach Schloß Hammerstein und bat den Herrn
von Kettler um die Hand seiner Tochter Mechthilde. Der Vater
wollte die zarte Jungfrau dem rauhen, wilden Ritter nicht an-
vertrauen und gab dem Freier eine abschlägige Antwort. Der
aber stieß drohende Worte aus und kehrte voll Ingrimm auf
seine Burg zurück. Er sammelte seine Kriegsgesellen und be-
lagerte die Burg Hammerstein, um die Jungfrau zu rauben. Er
wurde aber zurückgeschlagen. Da der Vater fürchtete, daß der
wilde Ritter nicht ruhen würde, bis er sein Ziel erreicht hätte,
so brachte er seine Tochter in das Kloster zu Gräfrath und ließ
sie Nonne werden.
Aber Wolfgang von Kronenburg gab sich auch jetzt noch
nicht zufrieden. Er sann einen Plan aus, wie er die Jungfrau
in seine Gewalt bekommen könnte. Eines Tages gingen die
Nonnen von Gräfrath in einer Prozession in den Wald. Wolf-
gang von Kronenburg hatte davon gehört und hielt sich mit
seinen Spießgesellen im Dickicht des Waldes versteckt. Die Jung-
srauen gingen, fromme Lieder singend, nichts ahnend, dahin. Da
mit einem Male brachen die Raubgesellen aus dem Dickicht
hervor. Eine unbeschreibliche Verwirrung entstand unter den
andächtigen Nonnen. Wolfgang aber hob die zitternde Mecht-
Hilde auf sein Roß und jagte mit seiner Beute und seinen Kriegs-
knechten davon. Der Klostervogt eilte mit seinen Knechten dem
frechen Räuber nach und holte ihn am Ufer der Wupper ein.
Als Wolfgang merkte, daß die Verfolger ihm dicht auf den
Fersen waren, gab er die geraubte Jungsrau einem seiner Spieß-
gesellen, damit er sie nach der Kronenburg in Sicherheit bringe.
Er selbst riß sein Pferd herum, jagte seinen Verfolgern entgegen
und schlug den Klostervogt mit seinem Schwerte nieder. Die
Begleiter dieses wackeren Manne? ergriffen feige die Flucht.
Der Nonnenräuber ritt nach seiner Burg und machte Mechthilde
zu seiner Gemahlin.
Die Äbtissin des Klosters von Gräfrath wollte den Frevel
nicht ungerächt lassen und verklagte den Räuber bei dem Bischof
von Köln, unter dessen Schutz ihr Kloster stand. Der Bischof
sprach den Kirchenbann über den Ritter von Kronenburg aus.
Der aber verhöhnte ihn und weigerte sich, Buße zu tun. Seine
Burg wurde von dem Bischof und seinen Kriegsknechten belagert,
aber hinter seinen Mauern trotzte Wolfgang den Angriffen der
Feinde. Sie zogen endlich ab.
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Extrahierte Personennamen: Kettler Wolfgang_von_Kronenburg Gräfrath Kronenburg Hilde Gräfrath Kronenburg Wolfgang
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will dir als treuer Freund in jedem Kampfe helfen. Nur wünscht
er zweierlei: Du darfst nicht fragen, wie er heißt, und
nicht verlangen, daß er seinen Helm abnehme." Wirich von
Nesselrat war hiermit einverstanden, und vergnüglich ritten alle
weiter.
Als sie in einem freundlichen Wiefental angelangt waren,
wurde geruht. Die Männer lagerten im Tale. Der neue Ge-
fährte suchte mit seinen Knappen eine nahe Waldwiese aus.
Wirich hätte gar zu gern gewußt, wer der fremde Ritter fei,
und daher folgte er heimlich dem neuen Freunde nach. Alle
hatten ihre Helme abgelegt. Kaum bemerkten sie den Eindrina-
ling, als sie ihr Haupt wieder bedeckten. Doch es war zu spät;
Wirich hatte in dem sremden Ritter seine Gemahlin erkannt. E?
lobte zwar ihr schmuckes, ritterliches Aussehen, doch erlaubte er
nicht, daß sie ihn weiter begleite. „Ich will deine Tapferkeit,"
sagte er ihr zum Tröste, „später ewmal auf die Probe stellen.
Bestehst du diese, dann darfst du ein andermal mit in den Streit
ziehen." Kunigunde zog traurig heim.
Wirich kehrte auch bald um; denn unterwegs erhielt er die
Nachricht, daß der Streit schon beendet sei. Als er das Tal
von Leichlingen wieder erreicht hatte, war es den kampfeslustigen
Männern nicht nach dem Sinn, fchon zur Ruhe zu gehen. Wirich
hatte einen abenteuerlichen Plan erdacht, den sie gleich aus-
führten. Er wollte sofort die Tapferkeit feiner Gemahlin er-
proben. Er stellte sich, als wolle er mit seinen Leuten die Burg
Nesselrat erstürmen. Deshalb ließen sie von allen Seiten her
Kriegslärm erschallen. Der Turmwächter rief sofort den Burg-
bewohnern zu: „Ein Feind zieht heran!" Nun ließ Kunigunde
alle Mannschaften, die noch in der Burg waren, zur Verteidigung
antreten. Sie selber stellte sich mit Panzer und Schwert an
die Stelle, wo die Gefahr am größten war.
Seit den Tagen der Kindheit wußte Wirich einen geheimen
Zugang zur Burg, der aber so eng war, daß der Ritter Panzer
und Schwert ablegen mußte, wenn er hindurch wollte. Er
fürchtete sich nicht, ohne Waffen die Burg zu betreten. „Denn,"
dachte er, „will mich wirklich jemand angreifen, dann brauche
ich ja nur meinen Namen zu nennen." Doch es kam anders.
Der Ritter erstieg die Burg auf jenem verborgenen Pfade,
während seine Knappen im Tale den Kriegslärm fortsetzten.
Als er im Burghof angelangt war, stürzte sich seine Gemahlin,
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sich die Augen und sagte gähnend nach langem Besinnen: „Die
Brote Hab' ich, so wie sie aus dem Backofen kamen, zu meinem
Ochsenbrätlein gegessen. Wenn ihr mir alle Tage solche Mahl-
zeit gebt, so will ich für euch arbeiten, so viel ich nur kann."
Da sahen die Heiden einander an und meinten, nun sei es aber
Zeit, ihn beiseite zu schaffen. Einer von ihnen sagte: „Geh
hinab, Hermel, in unsern Hof, dort sollst du einen Brunnen
reinigen, der wohl fünfzig Klafter tief ist. Dafür sollst du dann
ein Abendbrot haben, wie du es gerne hast."
Der gutmütige Bursche war's zufrieden. Er stieg getrost
in den Brunnen hinab und füllte den Schlamm in Eimer, die
dann hinaufgezogen wurden. Die falschen Gesellen wälzten eine
Menge dicker Steine an den Rand des Brunnens. Als sie einen
ganzen Haufen aufgeschichtet hatten, stießen sie die Steine hin-
unter in den Brunnen, damit der gute Hermel zerschmettert
würde. Der sang ein lustiges Liedlein bei seiner Arbeit unten
in der Tiefe und ließ sich auch anfangs durch die herabfallenden
Steine in seinem Gesang nicht stören. Als sie's ihm aber gar
zu bunt machten, rief er mit lauter Stimme hinauf: „Jagt mir
doch die Hühner dort oben weg, sie scharren mir so viel Kies
und Staub in die Augen, daß ich nicht recht sehen kann." „Na,"
meinten oben die feigen Gesellen, „wenn du das Kies nennst,
so wollen wir dir etwas anderes bringen, daß dir der Spott
vergeht." Zehn Mann mußten mit Hebebäumen einen gewaltigen
Mühlstein an den Rand des Brunnens schleppen und ihn hinein-
rollen. Nun jubelten sie: „So, jetzt hat er sein Teil; nun wird
ihm wohl der Spott vergehen!" Der starke Hermel lachte recht
herzlich und rief munter hinauf: „Habt Dank, ihr Herren, für
dt'n schönen, dauerhaften Halskragen, den ihr mir geschenkt habt?"
Die Heiden trauten ihren Ohren nicht; doch als sie hinabschauten
in den Brunnen, sahen sie ihn ruhig fortarbeiten. Den Mühlstein
hatte er wie ein Kräglein um den Hals.
Da entsetzten sich die Heiden und wurden noch zorniger.
Sie dachten sich schnell noch einen Plan aus, um den übermütigen
Burschen zu verderben. Auf einem Lastwagen, der von acht
Pferden gezogen wurde, schafften sie eine große Turmglocke her-
bei und stürzten sie hinab in die Tiefe. Sie dachten, nun werde
der grobe Bursche gewiß zerschmettert in der Tiefe liegen, aber
der ließ sich in seiner Arbeit und in seinem Gesänge nicht stören.
Er rief nur hinauf: „Vielen Dank, ihr Herren, für die schöne
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Wie sie den starken Gesellen beiseite schaffen könnten. Sie riefen
ihn am Morgen herbei und sagten: „Hermel, du machst uns noch
zu armen Leuten, wenn du länger bei uns bleibst. Drum gehe
in die Hölle zum Teufel und sage ihm, er solle dir einen großen
Sack voll Gold geben, so schwer du ihn nur tragen kannst. Wenn
du uns den bringst, so sollst du immer gute Tage bei uns haben."
Der gute Hermel war's zufrieden und bat die Herren nur noch,
ihm den Weg zur Hölle zu zeigen. Sie gaben ihm einen Burschen
mit, der ihn bis zum Heidenkeller bei Vollberg führte. Als der
wieder heimkam, erzählte er den Heiden, daß der starke Hermel
hinabgestiegen sei in die Teufelshöhle. Da jubelten die Heiden
und riefen: „So, den sind wir nun glücklich los. Der Teufel
wird dem Schlingel schon den Garaus machen."
Der starke Hermel aber hatte inzwischen schwere Arbeit. Als
er in den Heidenkeller hinabgestiegen war, befand er sich in
einem langen, düstern Gang. Er mochte wohl eine Stunde
gegangen sein, da kam er an eine geschlossene Tür, die ihm den
Weg versperrte. Er schüttelte und rüttelte daran, aber umsonst.
Dann trat er mit Macht gegen die Tür, und sie sprang mit
gewaltigem Krachen aus. Der starke Hermel sah unten einen
weiten Raum, der von vielen Feuern erleuchtet wurde. In dem
flackernden Schein bewegten sich wunderliche Gestalten. Große
Fledermäuse flatterten dem Wanderer um den Kopf. Der aber
ließ sich nicht bange machen, sondern schlug mit dem mitgebrachten
Sacke nach den Fledermäusen und ging keck und zuversichtlich
die Treppe hinunter. Da hüpfte ihm der Teufel entgegen, dem
er gestern das Bein abgerieben hatte. Der war wütend herbei-
geeilt, um zu sehen, wer solchen Lärm an der Türe mache. Als
er aber den starken Hermel erblickte, da hielt er sich ängstlich das
Bein fest, das er noch hatte, und hopste heulend davon, so schnell
er nur konnte.
Nun wurde Hermel zu dem Obersten der Teufel geführt.
Der sah gar grimmig aus und saß aus einem feurigen Thron.
Er fragte den Jüngling nach seinem Begehr und faßte gleich
nach seinem Halse. Hermel schlug ihn tüchtig auf die Finger
und erzählte ganz treuherzig, weshalb er hergekommen. Der
Teufel lächelte und sagte: „Du bist ein wackerer Bursche. Wenn
du mir die drei Kunststücke nachmachen kannst, die ich dir vor-
mache, so sollst du den Sack voll Geld haben. Kannst du's aber
nicht, so bist du mein eigen." „Nur heraus damit, Herr Teufel?"
sagte Hermel keck.
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Der Höllenfürst holte ein gewaltiges Jagdhorn herbei, das
war unten so weit wie ein großes Faß. „So, nun wollen wir
sehen," sagte er, „wer am besten blasen kann." Er setzte das
Horn an und tutete so mächtig, daß der ganze Berg erbebte und
sechs Feuer, die am nächsten waren, erloschen. Als der starke
Hermel das Horn zum Blasen ansetzte, gab es keinen Ton,
sondern einen Knall, und das Horn zerplatzte wie eine Seisen-
blase. Die Metallstücke flogen dem Teufel an den Kopf, daß
die Hörner wackelten und ihm die Nase blutete. Wohl hundert
Flämmchen erloschen, und die beiden Bläser standen im Dunkeln.
Der Teufel wunderte sich, holte einen schweren Stein, so
groß wie ein Backhaus, und warf ihn fenkrecht in die Höhe, daß
er wohl die Spitze eines Pappelbaumes erreicht hätte. Als nun
Äer starke Hermel an die Reihe kam, wog er den Stein wie einen
Ball sinnend hin und her und sagte endlich: „Ich will doch eben
noch einmal in den Wald springen, ehe ich werfe, und ein paar
Eichbäume ausreißen." „Was willst du denn damit?" fragte
der Teufel. „Ich will das Gewölbe stützen," meinte Hermel.
„Wenn ich werfe, könnte es einstürzen und uns alle begraben."
Da wurde der Teufel recht kleinlaut und gab die Wette verloren.
Er ließ sich's aber nicht merken, sondern brauchte eine Ausrede,
an der es dem arglistigen Teufel ja niemals fehlt. Der wackre
Bursche aber wurde auf seinen Befehl zu der höllischen Schatz-
kammer geführt. Da füllte er sich seinen Sack mit Gold und
Silber und zog wohlgemut zu seinen Herren. Die trauten ihren
Augen und Ohren nicht. Sie sreuten sich wohl über den großen
Schatz, aber sie fürchteten sich noch mehr als vorher vor dem
gewaltigen Burschen. „Er wird uns über kurz oder lang alle
totschlagen," meinten sie und überlegten wieder, wie sie ihn los
werden könnten.
Eines Tages schickten sie den starken Hermel in den Wald,
um Holz zu hauen. In kurzer Zeit hatte er eine große Menge
Baume gefällt und die zerkleinerten Stämme ausgeschichtet. Dann
legte er sich hin, um wie gewöhnlich seinen Mittagsschlaf zu
halten. Der war so tief und fest, daß auch das stärkste Geräusch
ihn nicht störte. Er lag im Schatten der Holzstöße, die er auf-
gerichtet hatte. Da schlichen die hinterlistigen Heiden herbei,
häuften ringsum Stroh und Holz aus und zündeten es an. Bald
loderten die Flammen hoch auf, und inmitten des feurigen
Ringes schlief ahnungslos der gute Hermel. Zuerst hörte man
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Freundlichkeit, Sanftmut, Geduld und noch viele Tugenden mehr.
Doch der Zeit seligen Zusammenseins wurde ein schnelles Ende
bereitet.
König Heinrichs Boten erschienen eines Tages auf dem
Schlosse Berg und forderten den jungen Grafen auf, dem Könige
in einen Krieg zum fernen Böhmerland zu folgen. Da gab der
Graf einem Ritter den Auftrag, während seiner Abwesenheit
die Burg, die Wälder und Felder, seine ganze Grafschaft zu ver-
walten. Er nahm schmerzlichen Abschied von seinem treuen
Weibe und zog fort.
Während er im fernen Lande von Kampf zu Kampf ziehen
mußte, herrschte sein Verwalter in der Grafschaft Berg mit großer
Strenge. Nur gegen die schöne Gräfin war er sehr freundlich.
Gern suchte er ihre Nähe auf, um sich mit ihr zu unterhalten. So
oft die Gräfin aber von ihrem Gemahl sprach, zweifelte er daran,
daß er wiederkomme. „Ja," sagte er eines Tages, „sicherlich ist
dein Gemahl im Kampfe umgekommen. Du wirst ihn nie wieder-
sehen. Siehe, ich will dein Gemahl und deinen beiden Söhnlein
ein Vater sein." Die Gräfin aber, die den arglistigen Mann
durchschaute, wurde sehr zornig. Sie befahl ihm, sofort die
Burg zu verlassen, und drohte ihm, sie werde dem Grafen bc-
richten, wie treulos er gegen seinen Herrn handele.
Da erschrak der Böse. Er fürchtete mit Recht, sein Herr
werde ihn hart bestrafen. Deshalb ersann er einen schlimmen
Plan. Er zog zum Grafen ins Böhmerland und erzählte ihm
Lüge um Lüge. „Dein Weib," sagte er, „hat sich, als du fort
warst, einen anderen Mann genommen, und beide verleben gute
Tage in deiner Burg." Der Graf glaubte den falschen Bericht,
und voll Zorn eilte er in die Heimat zurück. Ohne erst zu unter-
suchen, ob der Ritter auch die Wahrheit geredet, erschlug er in
seinem Zorn seine eigene Gemahlin. Die beiden Knäblein ließ
er in den tiefen Wald tragen, wo sie die Wölfe zerreißen sollten.
Aber siehe! um die kleine Waldwiese, wo die Knäblein aus-
gesetzt waren, wuchs eine Rosenhecke, die so dicht war, daß kein
wildes Tier hindurchdringen konnte. Alle Tage aber erschien
eine liebe, freundliche Frau, die die Kindlein pflegte und für
sie sorgte. So verging einige Zeit. Bei einer Jagd durchzogen
einst die Dienstmänner des Grafen den Wald. Von einem nahen
Hügel aus erblickten sie die Rosenhecke und die Knäblein auf der
Waldwiese. Sofort eilten sie zum Grafen und erzählten, was
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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- Iv -
der Schmied aber vorsichtig gehen," meint eine Kleine, die immer
noch beschäftigt ist, die Geschichte vom „Zwergjunkerlein an der
Kohlfurt" sich an Ort und Stelle abspielen zu lassen. — „Hat hier
der Schmied gewohnt?" fragt eine andere, auf einen verfallenen
Schleifkotten zeigend, dessen Schleifsteine untätig in der Wupper
liegen. „Solche Steine haben sie dem starken Hermel um den
Hals geworfen," ruft eine aus der Schar. Ihr Denken wurde
durch den Anblick der Steine zum bergischen Siegfried geführt.
Doch die Worte: „War die Wupper früher auch so tief? Dann
konnte ja der Schmied das Zipfelmützchen nicht wiederfinden,"
bringen uns zum Zwergjunkerlein zurück. — Lange könnten wir
uns an diesem interessanten Orte aufhalten, wenn nicht die Zeit
zum Heimmarsche mahnte. — Eine Gegend aber, in der die
Kinder so mit ihrem Denken, mit ihrem Interesse verweilen,
muß ihnen lieb und traut werden. — Die sagenumwobene Heimat
gewinnt Leben. Ein Kind, das mit den bergischen Sagen ver-
traut ist, wird nicht an der Kluse vorübergehen, ohne der fleißigen
Zwerge zu gedenken, die in der Vorzeit, als noch keine Bahnen
die Gegend beunruhigten, freundlich und harmlos mit den
Menschen verkehrten. — Bei einem Gang über den Engelnberg
wird es etwas spüren von dem Gruseln der „Schatzgräber". —
An dem Rathaus kann es nicht vorübergehen, ohne durch die
Geschichte „vom treuen Schildknappen" daran erinnert zu werden,
wie Elberfeld seinen Namen erhalten hat. — Ein Gang durchs
Kipdors mag sein Denken zurückführen in die Zeit, da die
Schmiede hier noch hämmerten oder kippten. — Eine gelegentliche
Neifa nach Solingen weckt das Verlangen, auch den Ort „am
Rüden" aufzusuchen, und Leichlingen gewinnt an Interesse, weil
sich in der Umgegend die traurige Geschichte des Ritters Wirich
von Nesselrat abgespielt hat. — Doch genug der Beispiele. Wir
sehen, die Gegend ist belebt, nicht mit Menschen der Gegenwart,
die dem Kinde unbekannt und darum seinem Herzen fremd sind,
nein, mit Gestalten, die der Vorzeit angehören, die ihm auch
die Zukunft nicht entreißen wird, weil es sie verwebt in sein
Leben mit dem warmen Pulsschlag einer mitfühlenden Seele,
mit dem ganzen Farbenreichtum seiner Phantasie.
Verweilen wir noch etwas bei der Wirkung auf die Phan-
tasie. — Sind Märchen und Sagen nicht eine wahre Fundgrube
für die Phantasie unserer Kinder? Darin gewiß liegt zum
großen Teil der geheimnisvolle Zauber, mit dem Märchen und
Sagen unsere Kleinen gesangen halten. Daß dem so ist, wird
keiner leugnen, der je das Aufleuchten in den Blicken gesehen,
wenn der Bitte aus Kindermund: „Bitte, eine Geschichte er-
zählen," entsprochen wurde. Welcher Lehrer wünschte sich nicht
bei allen Unterrichtsstoffen eine gleich ungeteilte Aufmerksamkeit,
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
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wie sie den Märchen und Sagen entgegengebracht wird? Wie
geschäftig die Phantasie der Kinder weiter arbeitet, zeigen sie
bei ihren Spielen: Zwerge, Ritter, Elfen, gnte und böse Geister,
alles suchen sie spielend wiederzuzestalten. — „Hat denn aber
diese ganze Phantasterei irgend welchen Nutzen fürs praktische
Leben?" werden manche kopfschüttelnd fragen. Diesen möchten
wir entgegnen: Laht nur unsere Kleinen ihren Märchenglauben,
die Begeisterung für ihre Sagenhelden mit hineinnehmen ins
Leben. Sie verstehen schon, sich von ihrer Traumwelt eine Brücke
zu schlagen zur Wirklichkeit. Wenn das Kind sich sür das Treiben
der Zwerge, Riesen, Elfen begeistert, wenn es mit den Helden
der Sage kämpft und leidet, wenn es sich mit ihnen über ihre
Erfolge freut und über Mißerfolge mit ihnen trauert, ist es sich
wohl bewußt, daß alle diese Gestalten der Wirklichkeit nicht so
angehören, wie die Sage berichtet, und doch hat es ein Ver-
gnügen an diesen Erzählungen, weil seine Phantasie mit ihnen
spielen kann. Märchen und Sagen helfen dem Kinde, sich für
das ganze Leben etwas von Poesie und Idealen zu bewahren. —
Und all ihr Großen, die ihr leidet unter der Nüchternheit des
Alltags, unter der Bürde nie endenwollender Arbeit, unter dem
Hasten und Jagen eurer Zeit, ist es nicht erquickend, so etwas
von Poesie und Idealen in eurem inwendigen Menschen zu
spüren? — Auch darf man nicht einwenden, die Beschäftigung
mit Märchen und Sagen erziehe tatenlose Träumer. Warum
sollen Kinder, die wirklich in ihren Märchen und Sagen zu
Hause waren, im späteren Leben nicht tatkräftig zugreifen, wenn
es heißt, anderen zur Hilfe beizuspringen oder in schweren Prü-
fungszeiten mutig vorwärts zu schreiten? Arme Kinder, denen
das Wunderland der Märchen und Sagen verschlossen bleibt!
Mit um so größerer Freude sei darum das Streben begrüßt,
l.it'se Stoffe dem Lehrplan unserer Schulen einzufügen. Natur-
genwfj wird man die Märchen als das Leichtere und am meisten
Kindlich? dem ersten Schuljahr, die heimatlichen Sagen als die
stärkere Sp"ise dem zweiten und dritten Schuljahr zuweisen,
und die rein historischen Sagen späterer Zeit vorbehalten.
Die Schule wird um so bereitwilliger sein, die Sagen und
Märchen als Erzählstoffe im Unterricht zu verwenden, je mehr
die Lehrenden den großen Wert erkannt haben, den diese Stoffe
auch für das Erzählen und Sprechen der Kinder haben. —
Klagen über die Zaghaftigkeit der Kleinen beim Antworten, über
den großen Mangel an Sprechsc?twkeit, über die Unfähigkeit,
etwas im Zusammenhang zu berichten, versiurnmen, sobald ein
Märchen, eine Sage wiederzugeben ist. Daß die durch die
Märchen und Sagen gewonnene Sprechfertigkeit allen anderen
Unterrichtsstoffen zugute kommt, wird kein erfahrener Schulmann
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]